Feierliche Erwachsenentaufe
Im Pfarrhof St. Martin startet am Karsamstag nach Anbruch der Dunkelheit das höchste der christlichen Feste, die Osternacht. Bei trockenem Wetter versammeln sich zahlreiche Gläubige, um dem Entzünden der Osterkerze am traditionellen Osterfeuer beizuwohnen. Nur diese kleine Flamme erhellt beim anschließenden Einzug die sonst dunkle Pfarrkirche. Der dreimalige Ruf „Lumen Christi“ („Das Licht Christi!“) und die Antwort der Kirchengemeinde „Deo gratias“ („Dank sei Gott!“) hallt dabei durch den Kirchenraum. Ein Augenblick, dem sich kaum ein Gottesdienstbesucher entziehen kann - ein immer wiederkehrendes Ereignis. Aber für die zweiundvierzigjährige Isabell Neumann und den fünfzehnjährigen Elias Gering stellt dies den Beginn einer neuen Phase in ihrem Leben dar. Sie haben sich entschlossen, in dieser Osternacht die Taufe zu empfangen.
„Ich möchte mich taufen lassen, weil ich in den letzten Monaten erkannt habe, dass Jesus Christus der Weg ist. Ich habe gemerkt, wie mein Leben durch meinen Glauben besser geworden ist“, erläutert Elias Gering seinen Wunsch zur Eingliederung in die römisch-katholische Kirche, wie die Erwachsenentaufe genannt wird.
Es liegt ein Weg des Findens hinter den Katechumenen, den Taufbewerbern. Eine Zeit des infrage Stellens der bisher gelebten Spiritualität und der Auseinandersetzung mit dem katholischen Glauben.
Die in der ehemaligen DDR geborene Isabell Neumann wuchs in einem Staat auf, in dem Glaube Benachteiligungen nach sich zog und auch innerhalb der Familie nicht gelebt wurde. Im Laufe ihres Lebens entwickelte sie zunehmend ein Bewusstsein für Zeichen und Führung „von oben“, wie sie es nennt. Sie interessierte sich immer stärker für den katholischen Glauben. „Letztlich durchschritt ich zwei heftige Lebenskrisen kurz hintereinander. In dieser Zeit fand ich Halt und Zuversicht durch den festen Glauben. Meine Gebete wurden sehr deutlich erhört und beantwortet. So gab es für mich nur noch den einzig konsequenten Schritt - die Taufe.“
Es begann eine Zeit der Vorbereitung. Im sogenannten Katechumenat ergründen die Katechumenen Fragen wie: Möchte ich Mitglied einer Gemeinschaft werden, die an den dreieinigen Gott glaubt, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist? Bin ich bereit, diesen Schritt zu gehen und mich auf Neues einzulassen? Dabei stand Ihnen ein Ansprechpartner in ihrer Heimatgemeinde zur Seite. Im Falle von Isabell Neumann übernahm diesen Part Pfarrer Kirsten Brast. Elias Gering wurde von dem in der Pfarrei für Jugendarbeit zuständigen Pastoralreferenten Jonas Sträßer betreut. „Ich fand es spannend, Elias in seiner Vorbereitung auf die Taufe zu begleiten und dabei sowohl neu über die Grundlagen des Glaubens als auch über persönliche Fragen ins Gespräch zu kommen. Es ist schön zu erleben, wie in diesen kirchlich schweren Zeiten Menschen bewusst die Entscheidung für ein Glaubensleben in kirchlicher Gemeinschaft treffen“, so Jonas Sträßer. Und nach Monaten des Auseinandersetzens mit dem Katholik-Sein und in sich Horchens sagen Isabell Neumann und Elias Gering nun Ja zur Taufe.
Vergleich mit der biblischen Geschichte der drei Frauen am Grab Jesu
Pfarrer Kirsten Brast spricht zum Beginn seiner Predigt von dem deutschen Wort Sehnsucht, das es in vielen anderen Sprachen so nicht gibt: “Sehnsucht, also jenes Wort, das dieses tiefe innere Verlangen beschreibt nach etwas oder nach jemandem, ein Verlangen dem eine erstaunliche Kraft innewohnt, die uns umtreibt und antreibt, bis diese Sehnsucht gestillt ist.“ Er zieht Parallelen zur Geschichte aus dem Evangelium von den drei Frauen, die von Sehnsucht angetrieben zum Grab Jesu gingen, um ihn zu salben und ihm ein letztes Mal nahe zu sein. „Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, es als ,Sehnsucht‘ zu bezeichnen, was Sie heute hierherführt und Sie dazu gebracht hat, sich schon in den vergangenen Monaten auf dieses Geschehen vorzubereiten“, so Pfarrer Brast in seiner Predigt vor der Taufe. „Aber sie haben offenbar ein Verlangen, welches dem der drei Frauen im Evangelium vielleicht gar nicht so unähnlich ist. Näher zu Jesus Christus, näher zu Gott zu gelangen, Teil seiner ,Familie‘ zu werden.“
Die Hauptpersonen erwarten den Höhepunkt
Nach der Predigt und der Darbietung eines Stückes des Komponisten Johann Sebastian Bach mit Beteiligung von Orgel, Flügelhorn und Trompete, treten die Katechumenen an das Taufbecken. Durch das Eintauchen der Osterkerze weiht Pfarrer Brast zuerst das Wasser des Taufbeckens. Strahlend vor Freude und andächtig empfangen danach Isabell Neumann und Elias Gering in Anwesenheit ihrer Taufpaten das Sakrament der Taufe. Im Anschluss legen beide ihre weißen Gewänder an, die Zeichen dafür sind, dass sie in der Taufe neu geschaffen wurden. Die zwei Taufkerzen werden an der Osterkerze entzündet und stehen nun brennend neben den Altarkerzen.
Im Anschluss an die Erneuerung des Taufversprechens der Gemeindemitglieder folgt die Firmung der Neugetauften. Lässt sich nämlich eine Frau oder ein Mann im Erwachsenenalter taufen, gelten andere Regeln als bei einer Taufe im Kindesalter. Wer älter als 14 Jahre ist, erhält an einem Tag nicht nur das Sakrament der Taufe, sondern auch das der Firmung und im weiteren Verlauf des Gottesdienstes das Sakrament der Erstkommunion. Sie sind von nun an Mitglieder der Kirchengemeinde.
„Es geht ja nicht um einen rituellen Akt, um einen nicht zu feierlichen und zu langen geratenen Vereinsbeitritt, es geht ja um so viel mehr. Und das hat eben auch zu tun mit dieser Osternacht. Es ist kein Zufall, dass die Osternacht der Augenblick im ganzen Jahr für die Feier der Taufe und die Feier der Aufnahme in die Kirche ist. Denn ganz gleich, wie groß unsere Sehnsucht nach Christus ist, nach Gott ist, näher zu ihm zu gelangen, mit ihm verbunden zu sein und mit ihm verbunden zu bleiben, so legt Ostern doch noch Zeugnis von etwas Anderem ab, was nämlich noch größer und noch wichtiger ist, nämlich die Sehnsucht Gottes nach den Menschen. Wir feiern die Auferstehung Christi, wir feiern, dass das Grab leer ist und dass Christus wirklich lebt“, erwähnte Pfarrer Brast zuvor in seiner Predigt.
Willkommen in der Kirchengemeinde
Ein feierlicher Gottesdienst unter Mitwirkung des Chors St. Martin neigt sich dem Ende entgegen und stellvertretend für die Gemeinde heißt die Pfarrgemeindevorsitzende Alexia Schadow in einer emotionalen Rede Isabell Neumann und Elias Gering in der Gemeinschaft der katholischen Kirche willkommen. „Das heißt, auch wenn ihre Taufkirche jetzt, was mich besonders sehr freut, St. Martin Idsteiner Land ist, hier ihre Pfarrei, ihre Gemeinde, so sind sie doch dann überall, ob sie nun jetzt in Rom sind, in Jakarta, oder sonst irgendwo auf der Welt, nicht nur Gast, sondern zu Hause“.
Der Rede schließt sich Pfarrer Brast an und sagt scherzhaft: „In der Osternacht getauft zu werden, ist so ein bisschen, wie vom Sofa runter und Marathon zu laufen.“
Trotz der Länge dieser Osternacht wohnt ihr ein ganz besonderer Zauber inne. Die dunkle Kirche, die durch viele kleine Kerzen langsam Raum erhellt wird, bis auf einen Schlag alle Lichter angehen und die seit Gründonnerstag stille Orgel wieder erklingt. „Gloria“ – „Ehre sei Gott“ ertönt nun zur Feier der Auferstehung. Ein Gänsehautmoment, der aber in dieser Nacht noch übertroffen wird durch die zwei Erwachsenentaufen, die etwas Besonderes sind in der heutigen Zeit und die Lebendigkeit der Pfarrei widerspiegeln.
Im Anschluss an den Gottesdienst trifft sich die Kirchengemeinde im Pfarrsaal zur traditionellen Agapefeier.
Die in dieser Nacht auf dem Pfarrhof geweihte Osterkerze brennt bis Pfingsten in jedem Gottesdienst und steht dabei in der Nähe des Ambo, bis sie danach ans Taufbecken umzieht.
Info:
Im letzten Jahr wurden in der Pfarrei St. Martin Idsteiner Land 38 Menschen getauft. Im Jahr 2021 waren es 56, im Jahr 2022 ließen sich 38 taufen. 2021 fanden deutschlandweit 141.992 Taufen in kath. Kirchen statt, wobei es 155.173 im Jahr 2022 waren. Die große Mehrzahl fand im Kindesalter und nicht nur in der Osternacht statt.
Isabell Neumann erzählt ihre Geschichte und erläutert den Hintergrund zu ihrem Wunsch, sich taufen zu lassen
Als Kind der ehemaligen DDR wuchs ich im heutigen Bundesland Brandenburg auf. Einen Glauben zu haben oder zu leben, geschweige denn, Mitglied in einer kirchlichen Gemeinde zu sein, war nahezu undenkbar. In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin und gelebt habe, gibt es zwar eine katholische und eine evangelische Kirche, jedoch war es in meiner Wahrnehmung nicht als „normal“ angesehen worden, eine Religion auszuüben.
In der Schulzeit (Grundschule) wäre man sogar als Außenseiter von den Mitschülern behandelt worden. Das damalige System hatte diese „Abneigung“ zur Kirche bekanntermaßen auch forciert und unterstützt. Auch mein familiärer Hintergrund gibt keinen nennenswerten Bezug zum Glauben an Gott her. Zwar ist meine Mutter evangelisch getauft worden, einen Glauben hatte sie aber nicht gelebt. Lediglich die Grundzüge: Was ist Religion, wer ist Gott, warum feiern wir Weihnachten, Ostern, etc. hatte sie mir erklärt.
Und dennoch war ich schon in früher Kindheit auf genau diese Dinge neugierig geworden, wollte dies aber mit mir selber ausmachen. Als Kind gab es also für mich irgendjemand überirdisches, der mich beschützt. Eine genaue Vorstellung davon hatte ich aber nicht. Auch in der weiterführenden Schule (nach der Wiedervereinigung) wurde uns so etwas nach wie vor nicht vermittelt.
Im Laufe meines Lebens entwickelte ich dann zunehmend ein Bewusstsein für Zeichen und Führung „von oben“. Still und nur wenn mich keiner sieht, betete ich. Traute mich aber nicht, in eine Kirche zu gehen.
Als ich schließlich meinen heutigen Lebensgefährten kennenlernte, der streng katholisch erzogen wurde, änderte sich dies. Er führte mich an den katholischen Glauben heran. Und plötzlich lernte ich Menschen kennen, die sehr gläubig sind (katholisch) und entdeckte meine Sehnsucht aus früher Kindheit wieder, Gott nahe zu sein.
Ich begann regelmäßig Gottesdienste zu besuchen mit meinem Lebensgefährten. In den letzten 5 Jahren so regelmäßig, dass wir nahezu jedes Wochenende (meistens sonntags) in die Kirche gingen und gehen. Kein einziges Weihnachten ließ ich aus und besuchte verschiedene Kirchen und Dome zu den Hochfesten. Die Coronazeit war für mich als „anonyme Katholikin“, wie mich Pfarrer Brast vor meiner Taufe bezeichnete :-), eine regelrechte Durststrecke. Nur noch Fernsehgottesdienste. Das war mir zu wenig.
Letztlich durchschritt ich zwei heftige Lebenskrisen kurz hintereinander. In dieser Zeit fand ich Halt und Zuversicht durch den festen Glauben. Meine Gebete wurden sehr deutlich erhört und beantwortet. So gab es für mich nur noch den einzig konsequenten Schritt - die Taufe.
Isabell Neumann